Perfektes Getriebegehäuse für ein sehr spezielles Auto

2012 wurde der Prototyp eines umweltfreundlichen Hybridsportwagen im klassischen Design vorgestellt. Erste Tests erforderten geometrische Änderungen für das Getriebegehäuse. SICTA, ein Spezialist für gegossene Aluminium-Prototypen aus Belfort in Frankreich, hatte bereits das erste Getriebegehäuse für dieses sehr spezielle Auto gegossen (Bild 1). Für die neuen Varianten musste SICTA gewährleisten, dass die geometrischen Änderungen nicht den guten Qualitätsstandard gefährden. Außerdem forderte der Hersteller zusätzlich eine Reduzierung der Kosten.

SICTA nutzt MAGMASOFT® seit 2009, um seine Gießtechnik abzusichern. Das Unternehmen war europaweit das erste, das 3D-gedruckte Formen einsetzte. Für den ersten Abguss des Getriebegehäuses war MAGMASOFT® bereits intensiv eingesetzt worden. Mehrere Varianten, die damals noch Schritt für Schritt simuliert wurden, ermöglichten es SICTA, die Anschnitt- und Speisertechnik sowie die Gießbedingungen festzulegen und zu validieren. Hierzu hat SICTA auch spezielle Daten für ihre Formen im 3D-Druck messen lassen.

Mechanisch bearbeitetes Getriebegehäuse und in 3D gedruckte Formen für den ersten Prototypen

Mechanisch bearbeitetes Getriebegehäuse und in 3D gedruckte Formen für den ersten Prototypen

Anfang 2016 nutze SICTA erstmals die Möglichkeiten des virtuellen Versuchsplans in MAGMASOFT®, um verschiedene Prozessparameter festzulegen, wie z.B. für die Gießbedingungen für unterschiedliche Eingüsse. Diese Parameter wurden einmal ermittelt und in der Folge nicht mehr verändert. Um die Speisung und gleichzeitig die Herstellungskosten zu optimieren, setzte das Unternehmen einen weiteren Versuchsplan mit den folgenden Variablen auf:

  • Gießtemperatur: 720 °C - 740 °C - 760 C 
  • Aktivierung / Deaktivierung einer zentralen Kokillenkühlung (100 mm Durchmesser) auf dem Boden des Gussteils (Bild 2)
  • Aktivierung / Deaktivierung lokaler Kokillenkühlungen in Bereichen, die schwierig nachzuspeisen sind
  • Variation des Siliziumgehalts: 6,5 Gew.% - 7,0 Gew.% - 7,5 Gew.%

Ziel war es, das gesamte Gussteil speisungstechnisch zu optimieren.

Komplette Anschnitt- und Speisertechnik mit der Aktivierung von Kokillenkühlungen im virtuellen Versuchsplan

Komplette Anschnitt- und Speisertechnik mit der Aktivierung von Kokillenkühlungen im virtuellen Versuchsplan

Durch die Kombination aller Variablen wurden 36 Designs automatisch berechnet. Für jedes Design wurden sowohl Formfüllung als auch Erstarrung simuliert, um eine detaillierte Temperaturverteilung und eine möglichst genaue Vorhersage der Porosität zu erhalten. Die Rechenzeit für den gesamten Versuchsplan betrug nur 24 Stunden. Die "beste" Lösung mit dem geringsten Porositätsniveau war Design 15 (Gießtemperatur: 760 °C, Si-Gehalt: 7 Gew.%, nur untere Kühlung aktiv). Im Gegensatz dazu wies das "schlechteste" Design Porositätsanzeigen auf, die sich auf vier verschiedene Bereiche im Gussteil erstreckten (Bild 3).

Porositätsvorhersage für die Designs 1 ("schlechtestes") und 15 ("bestes")

Porositätsvorhersage für die Designs 1 ("schlechtestes") und 15 ("bestes")

Die beiden Kurven auf der rechten Seite des Haupteffekte-Diagramms (Bild 4) zeigen den positiven Einfluss der Kokillenkühlungen auf die Dichte. Die unterschiedlichen Steigungen der Kurven zeigen, dass die Bodenkühlung ("999", rechts oben) insgesamt einen stärkeren Effekt hatte, als die lokalen Kühleisen ("666", rechts unten). Das Diagramm links unten zeigt, dass eine höhere Gießtemperatur sich ebenfalls positiv auf die Dichte auswirkt. Der Einfluss des Siliziums war dagegen marginal (links oben).

Haupteffekte der variierten Parameter auf die Dichte des Gussteils

Haupteffekte der variierten Parameter auf die Dichte des Gussteils

Parallelkoordinaten-Diagramm mit den besten Designs für ein dichtes Gussteil

Parallelkoordinaten-Diagramm mit den besten Designs für ein dichtes Gussteil

Die Möglichkeiten des Parallelkoordinaten-Diagramms wurde genutzt, um Maßnahmen festzulegen: Die Gießtemperatur musste bei aktivierter Bodenkühlung („999“) mindestens 740 °C betragen. Mit diesem Diagramm kann auch der Einfluss von Prozessparametern auf die finale Qualität quantifiziert werden. Eine Gießtemperatur von 720 °C führt zu einer Reduzierung der Gussteildichte (Bild 6), wobei es dann keine Rolle spielt, ob die Kühlungen aktiv sind. Andererseits stellt eine Erhöhung der Temperatur auf über 740 °C die geforderte Qualität sicher.

Bei 720 °C Gießtemperatur kann das geforderte Qualitätsniveau (Dichte) nicht garantiert werden

Bei 720 °C Gießtemperatur kann das geforderte Qualitätsniveau (Dichte) nicht garantiert werden

Die letztlich von SICTA gewählten Gießbedingungen hatten die folgenden Parameter:

  • Gießtemperatur: 760 °C
  • Lokale Kühlungen in schwierig zu speisenden Bereichen
  • Zentrale Bodenkühlung
  • Siliziumgehalt, der mit dem Legierungsstandard übereinstimmt

Unter diesen Bedingungen wurden fünf Gehäuse gegossen und mit anschließenden CT-Prüfungen erfolgreich abgenommen (Bild 7).

Der CT-Scan bestätigt die Robustheit der Prozessbedingungen (links), Gussteil aus der Prototypen-Herstellung (rechts)

Der CT-Scan bestätigt die Robustheit der Prozessbedingungen (links), Gussteil aus der Prototypen-Herstellung (rechts)

SICTA war damit in der Lage, die geforderten geometrischen Änderungen bereits mit dem ersten Gussteil zu realisieren. Für diese Prototypen konnte SICTA robuste Produktionsbedingungen schnell und selbstständig bestimmen und gleichzeitig die Qualität des Teils sowie die geforderte Kostensenkung sicherstellen. Die Realisierung der Kundenanforderungen an ein perfektes Getriebegehäuse wurde mit MAGMASOFT® möglich.